Das Finanzgericht Münster hat mit zwei Urteilen vom
08.02.2022 (Az. 2 K 1277/20 E und 2 K 1538/20 E) zu folgendem Sachverhalt
entschieden:
Sachverhalt
Die beiden Kläger waren bei einer Aktiengesellschaft als
Arbeitnehmer beschäftigt. Im Jahr 2000 erwarb eine Person Aktien der
Aktiengesellschaft treuhänderisch für
die Belegschaft, zu der auch die Kläger gehörten.
Im Jahr 2002 wurde ein Verein gegründet und die Aktien von
dem Treuhänder auf diesen Verein übertragen. Zweck des Vereins waren die
Erhaltung und Sicherung der Arbeitsplätze, das Halten und Verwalten der Anteile
an der Aktiengesellschaft sowie die Verwaltung und Verwendung der Erträgnisse
aus den Geschäftsanteilen. Die Kläger waren Mitglieder des Vereins.
Im Jahr 2016 beschloss die Mitgliederversammlung die
Veräußerung der Aktien. Die Veräußerung erfolgte im Jahr 2018. Aus dem
Veräußerungserlös erhielten die beiden Kläger jeweils rund EUR 75.000.
Steuerliche Behandlung durch das Finanzamt
Der Verein wies auf den an die Kläger gerichteten Steuerbescheinigungen die gezahlten Kapitalerträge, die Kapitalertragsteuer sowie den Solidaritätszuschlag aus.
Die zuständigen Finanzämter erließen die Einkommensteuerbescheide für 2018 unter Berücksichtigung der jeweiligen Veräußerungserlöse als Kapitaleinkünfte, die dem Abgeltungssteuersatz (25% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) unterliegen.
Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger machen geltend, dass es sich bei der Auszahlung des Veräußerungserlöses nicht um eine Gewinnausschüttung und damit nicht um Kapitaleinkünfte handelt. Es handelt sich vielmehr um ein privates Veräußerungsgeschäft.
Zudem bestand ein Treuhandverhältnis. Die Kläger seien jeweils die Eigentümer der Aktien gewesen, der Verein habe diese nur treuhänderisch gehalten. Die Treuhandschaft sei mit Übertragung der Aktien auf den Verein nicht beendet worden.
Die veräußerten Aktien wurden insofern bereits vor 2009 erworben und der Veräußerungsgewinn sei damit nicht einkommensteuerpflichtig.
Urteil des Finanzgerichts Münster
Das Finanzgericht wies die beiden Klagen ab und begründet dies folgendermaßen.
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die den Klägern zugeflossenen Veräußerungserlöse zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Hierunter fallen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die mit Gewinnausschüttungen vergleichbar sind.
Die Leistungen sind vergleichbar, wenn diese bei der leistenden Körperschaft eine Gewinnverwendung darstellen und beim Empfänger zu Einnahmen aus dieser Beteiligung führen. Eine Leistung ist allerdings dann nicht mit einer Gewinnausschüttung vergleichbar, wenn sie auf einer schuldrechtlichen Beziehung beruht.
Im Urteilsfall liegen insofern Kapitaleinkünfte bei den Klägern vor. Die Zahlung erfolgte nicht aufgrund einer schuldrechtlichen Beziehung.
Aktienerwerb vor 2009?
Die Kläger können sich nicht darauf berufen, die Aktien
bereits vor 2009 erworben zu haben, wodurch eine Veräußerung von Aktien ab 2009
steuerfrei möglich ist, vergleiche im Folgenden.
Treuhandschaft und Zurechnung von Einkünften
Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der sie erzielt. Nach § 39 Abs. 1 AO sind bei Treuhandverhältnissen die Anteile dem Treugeber zuzurechnen. Dies gilt dann, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht.
Allerdings erfüllt diese Voraussetzung nicht jede als Treuhandvertrag bezeichnete Vereinbarung. Das Finanzgericht fasst zusammen, wann ein Treuhandverhältnis steuerlich anzuerkennen sein kann:
- Die Verfügungsmacht muss so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt sein, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als leere Hüller erscheint.
- Der Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen.
- Dem Treugeber muss für das Treugut eine Weisungsbefugnis eingeräumt sein, dem Treuhänder eine entsprechende Weisungsgebundenheit.
- Der Treugeber muss jederzeit berechtigt sein, die Rückgabe des Treuguts zu verlangen. Die Vereinbarung einer angemessenen Kündigungsfrist ist dabei unschädlich.
- Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist lediglich ein Indiz, aber keine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung.
Ein Treuhandvertrag zwischen den Vereinsmitgliedern und dem Verein wurde im Verfahren nicht vorgelegt. Das Treuhandverhältnis folgt auch nicht im Auslegungswege aus dem Aktienkaufvertrag oder der Vereinssatzung.
Gegen das Bestehen einer Treuhandschaft spricht zudem, dass die Veräußerung der Aktien nur aufgrund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erfolgen durfte. Ein alleiniges Dispositionsrecht des jeweiligen Vereinsmitglieds hat damit nicht bestanden.
Damit bestand im Urteilsfall keine Treuhandschaft. Diese wurde faktisch mit Übertragung der Aktien auf den Verein im Jahr beendet. Die Aktienveräußerung erfolgte insofern nicht durch die Kläger, sondern durch den Verein. Als Folge daraus ist die Auskehrung des Veräußerungserlöses an die Mitglieder wie eine Gewinnausschüttung zu behandeln. Bei den Vereinsmitgliedern, also den Klägern, liegen insofern steuerpflichtige Kapitaleinkünfte vor.
Beratung zu treuhänderischen Gestaltungen ist ratsam
Das Verfahren zeigt, dass bei der Vereinbarung und
Ausgestaltung von Treuhandverhältnissen Vorsicht geboten ist. Es empfiehlt
sich, bei Begründung und bei Veränderungen von Treuhandverhältnissen
steuerlichen Rat einzuholen.
Wir stehen Ihnen für eine rechtliche und steuerrechtliche
Beratung zur Verfügung. Nehmen Sie hierzu Kontakt mit uns auf.